
SICHT DER RELIGIONEN
Religion und Organspende
Es gibt wohl kaum ein medizinisches Thema, das kontroverser diskutiert wird als die Organspende und -transplantation. In der Entscheidungsfindung für oder wider die Bereitschaft zur Organspende im Falle eines irreversiblen Hirnfunktionsausfalls wird jeder einzelne mit seinen persönlichen ethischen Überzeugungen konfrontiert. Diese Überzeugungen werden nicht zuletzt durch die Grundsätze ihres oder seines Glaubens gestützt. Doch wie lautet eigentlich die offizielle Meinung der verschiedenen Weltreligionen zu diesem zeitgenössischen Thema?
Christentum – ein Akt der Nächstenliebe
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland betonen in einer gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 1990, dass die Organspende als ein Akt der Nächstenliebe verstanden werden kann: „Nach christlichem Verständnis ist das Leben und damit der Leib ein Geschenk des Schöpfers, über das der Mensch nicht nach Belieben verfügen kann, das er aber nach sorgfältiger Gewissensprüfung aus Liebe zum Nächsten einsetzen darf. […]Aus christlicher Sicht ist die Bereitschaft zur Organspende nach dem Tod ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit Kranken und Behinderten. […]Nicht an der Unversehrtheit des Leichnams hängt die Erwartung der Auferstehung der Toten und des ewigen Lebens, sondern der Glaube vertraut darauf, dass der gnädige Gott aus dem Tod zum Leben auferweckt.“
Judentum – der Körper als Leihgabe
Nach jüdischer Gesetzesauslegung, der Halacha, gilt ein Mensch erst als tot, wenn sein Herz nicht mehr schlägt. Orthodoxe Juden lehnen deshalb eine Organentnahme bei Patienten mit irreversiblem Hirnfunktionsausfalls entsprechend des Transplantationsgesetzes ab. Außerdem sei der menschliche Körper nur eine Leihgabe Gottes. Dies fordere auch eine unversehrte Beerdigung des Leichnams. Liberale Juden stellen jedoch die Rettung eines Menschenlebens über die Unversehrtheit des Körpers und stehen der Organspende grundsätzlich positiv gegenüber. Auch das oberste Rabbinat Israels hat bereits Ender der 80er Jahre das Hirntodkonzept offiziell anerkannt.
Islam – ein Zeichen von Mitgefühl
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland betont das Prinzip der Nächstenliebe: „Taten werden nach der dahinter stehenden Absicht beurteilt.“ Die Organspenderin/ der Organspender handle in Allahs Sinne, denn die Rettung eines Menschenlebens habe oberste Prioriät.
Buddhismus – ein Eingriff in den Sterbeprozess
Nach buddhistischer Auffassung ist der Mensch eine Einheit geistiger und physischer Faktoren. Der Tod wird dabei als prozesshafte, allmähliche Auflösung dieser Einheit verstanden. Tot ist ein Mensch erst, wenn seine Seele in eine neue Existenz eingetreten ist. Die Befreiung aus diesem Lebenskreislauf, die Erleuchtung, kann der Mensch während des Sterbeprozesses erlangen. Der irreversible Hirnfunktionsausfall wird als Teil des Sterbeprozesses, aber nicht als Endpunkt verstanden. Die Organentnahme stellt somit einen Eingriff in den Sterbevorgang dar. Andererseits kann auch hier der Akt der Nächstenliebe und des Mitgefühls in den Vordergrund gestellt werden und sich positiv auf die nächste Existenz auswirken. Jeder Buddhist muss die Entscheidung letztendlich für sich persönlich treffen, denn im Buddhismus gibt es keine Autorität, die das Handeln diktiert.
Hinduismus – die Unversehrtheit des Leichnams
Dem Leichnam und dessen Unversehrtheit wird im Hinduismus ein sehr hoher Stellenwert zugeschrieben. Von einer grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber der Organspende ist jedoch auch hier nicht zu sprechen. Von vielen Hindus wird die Organspende auch als Opfergabe für die Leidenden empfunden. Obwohl die Auffassung besteht, dass ein Mensch erst dann tot sei, wenn sein Körper erkaltet ist, erkennt Indien als Ursprungsland des Hinduismus das Hirntodkonzept an. Jeder Hindu muss letztendlich eine persönliche Entscheidung treffen.
Quellen:
https://www.organspende-info.de/infothek/religionen
http://www.glaube-in-berlin.de/goldene-regel-der-religionen/berichte-artikel/wie-stehen-religionen-zur-organspende.html